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Passives Einkommen mit „gesichtslosen“ YouTube-Videos – Funktioniert das?

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Gesichtslose Youtube-Videos als passives Einkommen - macht das Sinn
Foto © Collabstr / Unsplash

Wer auf Social Media unterwegs ist, kennt diese Bilder: gut gelaunte Menschen mit Laptop an exotischen Orten, die am Pool oder auf dem Hotelbalkon mit Meerblick arbeiten und den Traum vom ortsunabhängigen Leben verkörpern. Sie vermitteln die Vorstellung, dass wenige Stunden Content-Erstellung pro Woche ausreichen, während man reist, seine Träume lebt und im Hintergrund fast beiläufig ein hohes, sogenanntes passives Einkommen entsteht. Aber ist das wirklich so einfach?

In diesem Zusammenhang tauchen zunehmend Coaching-Angebote zu sogenannten „gesichtslosen YouTube-Kanälen“ auf. Gemeint sind Videos ohne sichtbare Person, meist produziert mit KI-Tools und häufig an Freelancer:innen ausgelagert, angeblich skalierbar und dauerhaft profitabel. Das Konzept klingt wie ein echter Jackpot, besonders für Menschen, die nicht vor die Kamera wollen oder nicht täglich neuen Content veröffentlichen möchten.

Aber funktioniert das tatsächlich? Dieser Artikel schaut genauer hin, ob es sich lohnt, Zeit und Geld in dieses Konzept zu investieren.

1. Was sind „gesichtslose YouTube-Kanäle“?

Als gesichtslose YouTube-Kanäle werden Formate bezeichnet, bei denen keine Person sichtbar vor der Kamera erscheint. Stattdessen bestehen die Videos aus gesprochenem Text, Musik, Stockmaterial, Animationen oder statischen Bildern. Häufig kommen dabei KI-Tools zum Einsatz, etwa für die Texterstellung, die Vertonung oder die Bildauswahl. Die eigentliche Produktion wird in vielen Fällen ganz oder teilweise an externe Dienstleister ausgelagert.

Beworben wird dieses Modell oft mit dem Hinweis, dass persönliche Sichtbarkeit keine Rolle spielt. Es braucht weder eine Community noch ein wiedererkennbares Gesicht. Entscheidend sei allein, regelmäßig Inhalte in einer klaren Nische zu veröffentlichen, die möglichst viele Aufrufe und lange Wiedergabezeiten erzeugen. Genau darin liegt der Reiz für viele: ein digitales Produkt, das unabhängig von Persönlichkeit, Auftreten oder öffentlicher Präsenz funktionieren soll.

2. Wie gesichtslose YouTube-Kanäle Geld verdienen

Die Einnahmen entstehen in erster Linie über das reguläre YouTube-Partnerprogramm. Dabei wird Werbung in oder neben den Videos ausgespielt, sobald ein Kanal bestimmte Mindestanforderungen erfüllt. Entscheidend ist nicht nur, wie oft ein Video angeklickt wird, sondern wie lange Menschen dranbleiben. Gerade längere Videos, Hintergrundformate oder Inhalte, die beim Arbeiten oder Entspannen laufen, erzielen hier Vorteile.

Zusätzliche Einnahmen können über Affiliate-Links oder Weiterleitungen entstehen, etwa zu Tools oder Kursen. In der Praxis bleibt Werbung jedoch die wichtigste Einnahmequelle. Wie viel Geld dabei tatsächlich zusammenkommt, hängt stark vom Thema, der Zielgruppe und der Werbefreundlichkeit der Inhalte ab. Hohe Abrufzahlen allein garantieren keine stabilen Einnahmen, sie sind nur ein Faktor in einem insgesamt schwankenden System.

Passives Einkommen mit gesichtslosen Youtube-Videos? - Kritische Einordnung
Wer online Inhalte veröffentlicht, trägt immer die volle Verantwortung: Rechtlich, inhaltlich und im Idealfall auch moralisch. (Foto: Lia Bekyan / Unsplash)

3. Was Anbieter:innen mit gesichtslosen YouTube-Kanälen verkaufen

Die meisten Menschen begegnen dem Thema über Werbung und Social-Media-Posts. In den Werbeanzeigen wird das Geschäftsmodell häufig in schönen Urlaubs-Settings präsentiert und als Einkommensmöglichkeit dargestellt, die grundsätzlich jede:r umsetzen könne. Im nächsten Schritt folgt meist die Einladung zu einem kostenlosen Online-Training, das schließlich zum eigentlichen Einstieg führt: der Aufforderung, zunächst Geld in ein Coaching zu investieren.

Wer diesen Punkt erreicht und das Modell für einen Versuch in Betracht zieht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass vor dem Aufbau eigener Kanäle zunächst hohe Kosten anfallen werden. Je nach Angebot handelt es sich dabei um mehrere hundert bis hin zu mehreren tausend Euro. Diese Investition erfolgt, bevor Erfahrungen gesammelt oder absehbar ist, ob das Vorgehen überhaupt zur eigenen Situation passt.

Dabei werden meist folgende Punkte vermittelt:

  1. Worum geht es? Es geht darum, YouTube-Kanäle ohne eigene Sichtbarkeit zu betreiben und damit über Werbeeinnahmen Geld zu verdienen.
  2. Was macht man da konkret? Man veröffentlicht regelmäßig Videos, die aus Text, Sprecherstimme, Musik oder Stockmaterial bestehen. Diese Inhalte werden nicht selbst produziert, sondern mit KI-Tools oder externen Dienstleister:innen.
  3. Welche Voraussetzungen gibt es? Man braucht grundlegende technische Orientierung, etwas Startbudget für Tools oder Aufträge und die Bereitschaft, mehrere Kanäle parallel aufzubauen.
  4. Warum braucht man dafür ein Coaching? Weil man ohne Vorkenntnisse nicht weiß, welche Themen funktionieren sollen, welche Tools genutzt werden und wie die Videos aufgebaut sein müssen. Genau diese Anleitung wird verkauft.

Bevor du so ein Coaching buchst, bedenke:

– Einstieg kostet meist viel Geld (oft mehrere 100 bis 1.000+ €)
– Aufbau dauert Monate bis Jahre, nicht Wochen
– Einnahmen sind nicht planbar
– YouTube kann Videos demonetarisieren oder löschen
– Kanäle können eingeschränkt oder stillgelegt werden
– KI ersetzt keine inhaltliche Verantwortung
– Rechtliche Risiken durch KI-Inhalte und Musik
– Viele Kanäle scheitern!

4. Warum gesichtslose YouTube-Videos Reichweite erzielen können – und wo die Grenzen liegen

Ein häufig genutzter Satz von Anbieter:innen in diesem Zusammenhang lautet: „Wenn ich das geschafft habe, schaffst du das auch.“ Wäre es tatsächlich so einfach, gäbe es deutlich mehr Menschen mit verlässlichem passivem Einkommen. Dass das nicht der Fall ist, hat verschiedene Gründe.

  1. Plattformlogik: Gesichtslose YouTube-Videos können funktionieren, weil bestimmte Formate von der Plattform begünstigt werden. Lange Videos, Dokus oder Hintergrundinhalte laufen oft über längere Zeiträume und erzeugen hohe Wiedergabezeiten. Das ist für YouTube entscheidend, unabhängig davon, ob jemand aktiv zuschaut oder das Video nur nebenbei läuft.
  2. Einnahmeschwankungen: Reichweite führt nicht automatisch zu stabilen Einnahmen. Werbung wird nicht immer ausgespielt, einige Themen sind für Werbekunden weniger attraktiv und die Erträge schwanken stark. Gezeigt werden häufig nur einzelne erfolgreiche Videos, während viele andere kaum etwas einbringen oder vollständig untergehen.
  3. Arbeitsaufwand und Verantwortung: Auch ohne eigene Präsenz vor der Kamera bleibt der Aufwand bestehen. Inhalte müssen geprüft, Fehler der KI korrigiert und Rechte an Bild-, Musik- und Videomaterial geklärt werden. Auch die Verantwortung für korrekte Informationen liegt bei der betreibenden Person. Wer Falschinformationen veröffentlicht oder Rechte verletzt, riskiert nicht nur die Demonetarisierung einzelner Videos, sondern auch die Sperrung ganzer Kanäle sowie mögliche rechtliche Schritte wie Abmahnungen oder Schadensersatzforderungen.

4. Wettbewerb und Sättigung: Je mehr Menschen dieses Modell umsetzen, desto größer wird der Konkurrenzdruck. Viele der empfohlenen Nischen sind inzwischen stark besetzt, Formate ähneln sich und neue Kanäle konkurrieren direkt mit bestehenden. Was heute noch Reichweite bekommt, kann morgen im Überangebot untergehen. Mit wachsender Verbreitung sinken die Chancen, sich dauerhaft durchzusetzen.

Fazit: Kein Luftschloss – aber definitiv kein Selbstläufer

Gesichtslose YouTube-Kanäle sind kein reines Fantasieprodukt, sondern ein reales Modell, das unter bestimmten Bedingungen funktionieren kann. Wer sich dafür interessiert, sollte jedoch von Anfang an realistisch bleiben. Der Einstieg ist in der Regel mit einer spürbaren Investition verbunden. Bevor überhaupt eigene Kanäle entstehen, fließt meist zunächst Geld in ein oft hochpreisiges Coaching. Eine Erfolgsgarantie gibt es dafür nicht.

Hinzu kommt der zeitliche Aufwand, der häufig unterschätzt wird. Der Aufbau solcher Kanäle läuft nicht automatisch. Man muss sich einarbeiten, Nischen analysieren, Formate testen und verstehen, wie YouTube tatsächlich reagiert. Das passiert nicht nebenbei. Bis man ein Gefühl dafür entwickelt, was funktioniert und was nicht, können Monate oder auch ein bis zwei Jahre vergehen.

Gleichzeitig bedeutet dieses Modell, dass man sich um alles selbst kümmern muss. Einnahmen, Ausgaben, Steuern, rechtliche Fragen und mögliche Risiken liegen vollständig in der eigenen Verantwortung. Dazu kommt die Abhängigkeit von einer Plattform, deren Regeln sich jederzeit ändern können. Ob und wann sich der Einsatz auszahlt, lässt sich nicht zuverlässig planen.

Entscheidend ist: Es gibt keine Sicherheit, dass am Ende tatsächlich Geld verdient wird. Die Beispiele aus Werbeanzeigen oder kostenlosen Teasern zeigen einzelne Erfolge, keine allgemeingültigen Ergebnisse. Genauso realistisch ist, dass ein Kanal kaum Reichweite bekommt, Videos nicht angenommen werden oder trotz großem Einsatz keine nennenswerten Einnahmen entstehen.

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Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin von Happy Not Happy und studierte Kommunikationswirtin mit langjähriger Erfahrung in Medien und Marketing interessiert mich, wie Selbstverwirklichung, Sinnsuche und Social Media zusammenhängen – und wie wir herausfinden, was wirklich zu uns passt.

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