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„Selbstheilung“ per EFT: Wenn spirituelles Coaching Grenzen überschreitet

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EFT Klopftechnik Kritik an Influencerinnen
Foto © Madeleine_Steinbach

Auf Social Media gehören EFT-Klopfsequenzen zum festen Repertoire vieler Influencerinnen. In kurzen Videos tippen sie bestimmte Punkte am Körper an und versprechen damit erstaunlich viel: weniger Stress, gelöste Ängste, ein beruhigtes Nervensystem, weniger körperlicher Schmerz, aufgelöste Scham, bessere Selbstregulation und manchmal sogar „tiefe Heilung“. Die Kombination aus sanfter Stimme, emotionalen Themen und einfachen Berührungen erzeugt den Eindruck einer therapeutischen Begleitung, die sich jederzeit und ohne Aufwand zu Hause auf der eigenen Couch anwenden lässt.

Bevor man beurteilen kann, was dieses Klopfen verspricht, lohnt ein Blick darauf, wofür EFT ursprünglich gedacht war und wer diese Methode eigentlich anwenden sollte. Genau daraus ergibt sich, warum die Social-Media-Variante so sensible Bereiche berührt: Menschen ohne therapeutische Ausbildung arbeiten hier mit Themen, die weit mehr erfordern als ein paar beruhigende Gesten und das Versprechen von „Heilung“.

1. Was ist EFT eigentlich?

EFT verbindet leichtes Tappen bestimmter Punkte im Gesicht, am Schlüsselbein, an der Brust und an den Händen mit Sätzen zu Stress, Belastung oder Anspannung. Ursprünglich war diese Klopftechnik als reine Selbstberuhigungs- und Stressreduktionstechnik gedacht – mehr war nie vorgesehen. Im professionellen Bereich wird sie nur ergänzend genutzt, also von Menschen, die psychologisch oder körperorientiert ausgebildet sind. Für tiefergehende emotionale oder therapeutische Arbeit ist sie nicht konzipiert.

Wichtig ist außerdem die Abgrenzung: EFT hat nichts mit der wissenschaftlich anerkannten Emotionsfokussierten Therapie (EFT) zu tun. Letztere ist ein psychotherapeutisches Verfahren, während das Klopfen auf Vorstellungen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin basiert, deren Annahmen in der Psychologie nicht belegt sind.

Die Klopftechnik EFT wird häufig mit „heilenden“ oder „psychotherapeutischen“ Effekten beworben. Wissenschaftlich anerkannt ist davon lediglich die kurzfristige Stressreduktion.

2. Wer EFT professionell ausübt

EFT ist kein anerkanntes therapeutisches Verfahren, aber einzelne Elemente wie z. B. rhythmisches Klopfen, Berührung oder Fokus auf Atmung können kurzfristig beruhigen. Fachleute wie Psychotherapeut:innen, Berater:innen oder Personen aus der körperorientierten Trauma- und Emotionsarbeit setzen solche kleinen Stabilisierungstechniken gelegentlich ergänzend ein. Dabei geht es nicht um „EFT als Methode“, sondern um eine kurze Intervention innerhalb eines sicheren, fachlich begleiteten Rahmens.

EFT Klopftechnik Kritik an Influencerinnen
Das Klopfen auf den sog. Karatepunkt wird in sozialen Netzwerken von vielen Influencer:innen übernommen. Oft ohne Ausbildung oder therapeutischen Hintergrund, aber mit dem Anschein fachlicher Anleitung. (Foto: Madeleine Steinbach)

Auf Social Media erscheint die Klopftechnik dagegen wie etwas, das jede Person ohne Ausbildung sicher anwenden könne. Genau das ist der Unterschied: Fachleute wissen, wann solche Berührungs- und Fokusübungen stabilisierend wirken und wann sie Menschen überfordern oder retraumatisieren können. Laien können das nicht einschätzen.

3. Wie EFT auf Social Media dargestellt wird

Auf Social Media (Instagram, TikTok, Youtube etc.) taucht die Klopftechnik in einer Form auf, die mit der ursprünglichen Idee wenig zu tun hat. Das Tapping wird dort nicht als kurze Selbstberuhigung gezeigt, sondern als Zugang zu tieferen emotionalen Themen: Blockaden lösen, Angst transformieren, Scham aufarbeiten, innere Wunden heilen. Viele Influencerinnen sprechen in einem Ton, der wie therapeutische Begleitung wirkt, obwohl sie keine psychologische Ausbildung dafür haben. Sie behandeln große emotionale Themen, ohne den fachlichen Rahmen, den diese Arbeit eigentlich bräuchte. EFT erscheint dadurch wie eine sanfte Selbstheilungs-Technik, die aber nicht leisten kann, was diese Influencerinnen suggerieren.

Der ursprüngliche Zweck von EFT = Nervensystem beruhigen
Was Influencerinnen/Coaches daraus machen = Therapie ersetzen

4. Warum diese EFT-Inhalte mehr schaden als nutzen

Wenn in EFT-Anleitungs-Videos über Angst, Scham oder alte Verletzungen gesprochen wird, entsteht der Eindruck, man bekomme eine Form von Unterstützung, die eigentlich nur Fachleute geben können. Tatsächlich kann EFT nicht leisten, was in diesen Videos vermittelt wird. Menschen ohne psychologische oder körperorientierte Ausbildung wissen nicht, wann Klopfen beruhigt und wann es innere Spannungen verstärkt oder alte Erinnerungen berührt. Besonders online ist das riskant, weil niemand einschätzen kann, in welcher Verfassung eine Person die Anleitung nutzt. Wer sich in einem belastenden Moment auf solche Videos verlässt, bleibt mit allem, was sich zeigt, allein. Eine Technik, die nur für kurzfristige Selbstberuhigung gedacht ist, wird so wie eine Behandlung eingesetzt, die sie nicht ist.

5. Warum Influencerinnen EFT überhaupt so einsetzen

EFT-Videos sind einfach zu erstellende, kostenlose Inhalte, die Vertrauen erzeugen und den Eindruck von Kompetenz vermitteln. Die Sequenzen wirken nah und fürsorglich und inszenieren die Influencerin als jemanden, die emotionale Prozesse versteht. Genau das macht sie attraktiv für eine therapeutisch wirkende Rolle, obwohl sie dafür keine Ausbildung haben. Für viele Content Creators oder Coaches ist EFT deshalb vor allem ein Marketinginstrument. Es zieht Menschen an, die sich Unterstützung wünschen, und schafft eine vertrauensvolle Grundlage, um später Online-Kurse, Mitgliedschaften oder Programme zu verkaufen. Die Wirkung auf die Zuschauerinnen steht dabei selten im Mittelpunkt.

EFT Tapping Klopfen Influencer Kritik
Das Klopfen soll laut spirituellen Influencerinnen Ängste und innere Blockaden auflösen oder sogar „Heilung“ ermöglichen; beworben ohne wissenschaftliche Grundlage. (Foto: Microgen Images / Sciencephoto)

Fazit: Heilsversprechen ohne Grundlage und ohne Kompetenz

Warum ist es überhaupt möglich, dass solche Videos und Anleitungen so frei verbreitet werden, ohne dass jemand eingreift? Ganz einfach, weil der gesamte Bereich rund um Coaching und Selbsthilfe eine riesige Grauzone ist. Auf Social Media können Influencer:innen, Coaches und andere selbsternannte Expert:innen fast alles behaupten, solange sie ihre Aussagen nicht ausdrücklich als medizinische oder therapeutische Behandlung deklarieren. Viele umgehen diese Grenze, indem sie zwar über Heilung, Trauma, Angst oder innere Wunden sprechen, aber nie klar sagen, dass sie Therapie anbieten. Die Plattformen kontrollieren solche Inhalte kaum und eine echte Regulierung existiert praktisch nicht.

Diese fehlende Regulierung ermöglicht es, dass EFT wie eine therapeutische Methode dargestellt wird, obwohl sie dafür weder gedacht noch geeignet ist. Wer solche Inhalte veröffentlicht, kann sich problemlos als kompetente Ansprechperson inszenieren, ohne Ausbildung und ohne Verantwortung für das, was diese Anleitungen auslösen könnten. Genau dadurch wird eine simple Beruhigungstechnik für Influencerinnen zu einem Werkzeug, das schnelle Lösungen verspricht, Vertrauen aufbaut und später als Einstieg in kostenpflichtige Angebote dient. Was freundlich und unterstützend wirkt, ist oft nur der kostenlose Einstieg in ein System, das auf spätere Verkäufe ausgerichtet ist.

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Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin von Happy Not Happy und studierte Kommunikationswirtin mit langjähriger Erfahrung in Medien und Marketing interessiert mich, wie Selbstverwirklichung, Sinnsuche und Social Media zusammenhängen – und wie wir herausfinden, was wirklich zu uns passt.

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